Ein Schlagzeug ein der Kirche. 1975 war das noch ein Affront, ein Skandal - in der Schweinfurter Dreieinigkeitskirche wie in vielen anderen Kirchen auch. Die Band "Jericho" ließ sich nicht beirren. Mit Beharrungsvermögen, Klinkenputzen und dem Glauben an die eigene Mission machten die Mitglieder weiter. Überzeugten den Pfarrer und den Kirchenvorstand. Irgendwann wurde sogar eine kleine Anlage angeschafft.
40 Jahre später gibt es die Band immer noch - mit einigen alten Hasen und mit einigen Neuzugängen. "Wir sind zusammen alt geworden und immer Freunde geblieben", sagt Frank Seifert, der zwei, drei Jahre nach der Gründung dazukam. Nach holperigen Anfängen kam 1983 der Durchbruch, als "Jericho" auf dem 20. Evangelischen Kirchentag spielen durfte. Das Motto: "Umkehr zum Leben". Es war die Blütezeit der Friedensbewegung, deren christlicher Teil durch die lila Tücher zur optischen Marke wurde. Gleichzeitig entstand die Ökobewegung.
"Wir haben die großen Bühnen bespielt", sagt Frank Seifert. "Eine Zeit lang galten wir als
die Kirchentagsband." Bis 2011 in Dresden spielte "Jericho" auf 13 Kirchentgen. In Berlin 1989 war "Jericho" die Hauptband. Schon vor der Wende trat sie heimlich in der DDR auf und dann gleich danach in der Nikolai-Kirche in Leipzig.
Zur Jahrtausendwende reiste die Band nach Israel. Für den Oberndorfer Karfreitag, eine inzwischen legendäre Veranstaltung, bei der unterschiedlichste Kunstformen zusammenwirkten, entwickelten die Mitglieder eigene Liturgien.
Die Versuchung ins Profilager zu wechseln, war dennoch gering. Für den ganz großen kommerziellen Wurf hätte es einen beherrschenden Frontmann oder eine Frontfrau gebraucht, bei "Jericho" aber lief und läuft alles arbeitsteilig. Frank Seifert schreibt die meisten - deutschen - Texte, Keyboarder Roland Weger vertont sie. Die Bandmitglieder wurden Pfarrer, Lehrer, Ingenieur, Jurist oder Ärztin.
Vor allem galt es, einer Gefahr zu begegnen: "Wir wollten auf keinen Fall Berufsjugendliche werden, das wäre schrecklich", sagt Frank Seifert. Also hörte die Band auf, Gottesdienste zu begleiten und fand ihre eigene Nische als Konzertgruppe, die bis zu 70 Konzerte im Jahr spielte. Heute sind es noch genau zwölf pro Jahr, die Auftrittsorte werden bewusst gewählt - gerne auch als niederschwelliges Angebot außerhalb kirchlicher Institutionen. Das Schweinfurter Konzert im Rahmen der Tour zum 40-jährigen Bestehen findet am 9. Mai im Biergarten der Brauerei Ulrich Martin in Hausen statt.
Musikalisch ist sich "Jericho" auch auf der aktuellen CD "Fluten von Licht" mit handgemachtem, melodischem Rockpop und einer Prise Folk treu geblieben. Die Botschaft unter dem Motto "Lieder für Geist und Seele" ist immer präsent, auch wenn es nicht immer explizit um den Glauben geht. Es geht darum, offen zu bleiben für den Zauber der Schöpfung und achtsam für sich und andere zu sein.
Es ist schwieriger geworden mit dem Glauben und der Kirche, hat Frank Seifert in den letzten Jahren beobachtet: "Die Öffnung, an der ja auch wir mitgewirkt haben, war unglaublich notwendig. Jetzt aber fehlt der Kern, der Kirche kenntlich macht. Und die ganz große Neuorientierung sehe ich im Moment noch nicht."
Mathias Wiedemann
Schweinfurter Tagblatt, 06.05.15